Fragt man einen Computer-Verkäufer, dann kann eine Festplatte nie groß genug sein. Will man jedoch einen historisch logischen Rechner zusammenbauen, dann lohnt sich ein Blick auf typische Komplettsysteme dieser Zeit, wie man sie etwa in Computer-Zeitschriften oder Werbeprospekten findet. Eine sehr nützliche Ressource ist für mich das Archiv auf leula.de wo man neben einer umfangreichen Sammlung der Vobis-Prospekte ("Denkzettel") auch Prospekte von Escom, Conrad und anderen findet. Eine stichprobenhafte Auswertung der Denkzettel von 1988 bis 1998 ergab folgende typische Festplattengrößen in Komplettsystemen:
1988 | 1989 | 1990 | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997 | 1998 | |
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286 | 20 MB | 20 MB | 30 MB | 40 MB | |||||||
386 | 40 MB | 40 MB | 40 MB | 40 MB | 105 MB | 120 MB | 210 MB | ||||
486 | 170 MB | 240 MB | 420 MB | 540 MB | |||||||
Pentium | 540 MB | 1080 MB | 1,2 GB | 2 GB | |||||||
Pentium II | 4 GB | 8 GB | |||||||||
Aufrüstoptionen | 80 MB | 80 MB | 180 MB | 340 MB | 450 MB | 540 MB | 1080 MB | 2000 MB | 3,2 GB | 8,4 GB | 17 GB |
Man sieht, dass für einen 286er dieser Zeit eine Festplatte zwischen 20 und 40 Megabyte nicht so verkehrt ist. War der Verkäufer auf Zack und hat einem gleich die nächst größere Festplatte verkauft, dann ist man vielleicht mit 80 MB aus dem Laden gegangen. Möglicherweise hat man es aber auch erst 1-2 Jahre später bereut und dann eine Festplatte aus dem Mittelfeld nachgekauft, so um die 250 bis 300 MB. Das wäre dann so das ungefähre Ziel dieser Bastelaktion.
Ein Problem stellt die Verfügbarkeit solcher Festplatten dar. Man findet ab und an welche auf eBay, derzeit so im Preissegment von 30 bis 60 Euro, jedoch ist davon auszugehen, dass dies immer schwieriger wird. Festplatten sind mechanische Teile die irgendwann kaputt gehen und dann auch für Profis oft nicht mehr zu reparieren sind, da sie nur unter Reinraumbedingungen geöffnet werden sollten. Aber anders als bei RAM-Bausteinen oder Steckkarten wurden Festplatten mit identischen Anschlüssen über einen sehr langen Zeitraum produziert; erst jetzt wird (Parallel-)ATA scheinbar endgültig durch Serial-ATA abgelöst. Man darf also davon ausgehen, dass die Versorgung mit gebrauchten bzw. "new old stock" ATA-Festplatten noch eine Weile sichergestellt ist -- allerdings eher im Gigabyte-Bereich als im Megabyte-Bereich. Stellt sich also die Frage: funktioniert so eine Festplatte auch in einem 286er? Auch das habe ich mir angesehen.
Wer schon mal versucht hat einem alten PC (sagen wir: vor 1996) eine Festplatte bekannt zu machen, der wird sich mit dem Thema Festplatten-Typen konfrontiert gesehen haben. Das BIOS möchte für gewöhnlich eine Typ-Nummer im Bereich von 1 bis 47 sehen, welche die Festplattengeometrie beschreibt. Diese Geometrie besteht aus Angaben wie Anzahl der Zylinder, Köpfe und Sektoren (auch als CHS für Cylinder, Head, Sector bekannt). Dies ist schön im Artikel Festplattengeometrie in der deutschen Wikipedia erklärt.
Wenn man Glück hat, dann entspricht die Geometrie der vorliegenden Festplatte einem dieser BIOS-Typen. Wenn nicht, dann besteht die Chance dass ein benutzerdefinierter Typ existiert, bei dem die Parameter selbst angegeben werden können. Wenn auch dies nicht der Fall ist, dann sollte man irgendeinen Typ nehmen, dessen Parameter denen der Festplatte am ehesten entsprechen. In der Praxis ist das sogar überraschend häufig völlig egal, weil neuere Festplatten intern ohnehin ein anderes Adressierungsschema nutzen und die Angabe von Zylinder, Kopf und Sektor nur aus Kompatibilität akzeptieren. Wichtig ist dann lediglich, dass eine einmal gewählte Geometrie nach dem Partitionieren/Formatieren der Festplatte beibehalten wird, damit diese Übersetzung immer gleich erfolgt -- sonst sind die Daten futsch.
Die erwähnte Adressierung, also die Auswahl eines bestimmten Sektors zum Lesen oder Schreiben, kann auf zwei verschiedene Arten erfolgen:
Die CHS-Adressierung ist das ältere Schema und eine direkte Weiterführung der Adressierung von Sektoren auf Disketten (Zylinder entspricht Spur, Kopf entspricht Seite). Diese Adressierung wird auch von den BIOS-Funktionen (Interrupt 13h) genutzt. Das Ur-BIOS des IBM PC hat für die Parameter Zylinder, Kopf und Sektor folgende Wertebereiche festgelegt:
Parameter | Wertebereich | Anzahl |
---|---|---|
Zylinder | 0 - 1023 | 1024 |
Kopf | 0 - 255 | 256 |
Sektor | 1 - 63 | 63 |
Daraus ergeben sich 1024 * 256 * 63 = 16515072 mögliche Sektoren. Bei 512 Byte pro Sektor sind das 8455716864 Bytes, ungefähr 8 Gigabyte; aus Sicht von 1981 dicke genug. Beim Festlegen des IDE- bzw. ATA-Standards für Festplatten (1984-1989) hat man sich dann wohl gedacht, dass 256 Köpfe physikalisch reichlich sinnlos sind und hat sich für andere Wertebereiche entschieden:
Parameter | Wertebereich | Anzahl |
---|---|---|
Zylinder | 0 - 65535 | 65536 |
Kopf | 0 - 15 | 16 |
Sektor | 1 - 255 | 255 |
Daraus ergeben sich sogar 65536 * 16 * 255 = 267386880 mögliche Sektoren. Bei 512 Byte pro Sektor sind das 136902082560 Bytes, also deutlich über 100 Gigabyte. Was auf den ersten Blick gut klingt bringt allerdings eine bedeutende Einschränkung mit sich: diese beiden Festlegungen behindern sich gegenseitig. Wie beim Übereinanderlegen zweier unterschiedlicher Scherenschnitte ergibt sich ein Gesamtbild, das in jedem Punkt jeweils dem kleineren der beiden Einzelbilder entspricht:
Parameter | BIOS | ATA-1 | Begrenzender Wert |
---|---|---|---|
Zylinder | 1024 | 65536 | 1024 |
Kopf | 256 | 16 | 16 |
Sektor | 63 | 255 | 63 |
Damit kommt man auf eine maximal Anzahl von 1024 * 16 * 63 = 1032192 adressierbaren Sektoren, was 528482304 Bytes entspricht, rund 500 Megabyte. Dies ist eine sehr relevante Grenze mit der man konfrontiert wird, wenn man moderne Festplatten in alte PCs einbaut.
Bei den bisherigen Angaben habe ich vermieden Bytes in Megabytes bzw. Gigabytes umzurechnen. Der Grund dafür ist, dass man zuerst über Dezimalpräfixe und Binärpräfixe reden muss. Bei den SI-Einheiten wie Meter und Kilogramm bezeichnen die Präfixe kilo, mega, usw. immer eine Skalierung um Zehnerpotenzen, wohingegen in der Digitaltechnik aus praktischen Gründen gerne Zweierpotenzen genutzt werden. Damit man hier nicht durcheinander kommt, wurden für die Binärpräfixe die Vorsilben kibi, mebi, usw. geschaffen. Der Haken an der Sache ist nur, dass diese Norm für Binärpräfixe erst in den späten 1990ern verabschiedet wurde und sich die alte Sprechweise sehr hartnäckig hält (ich bin da keine Ausnahme).
Dezimalpräfix | Binärpräfix | ||||
---|---|---|---|---|---|
Name | Symbol | Wert | Name | Symbol | Wert |
kilo | k | 103 = 1000 | kibi | Ki | 210 = 1024 |
mega | M | 106 = 1000000 | mebi | Mi | 220 = 1048576 |
giga | G | 109 = 1000000000 | gibi | Gi | 230 = 1073741824 |
Erschwerend kommt hinzu, dass im Computer-Bereich beide Arten benutzt werden und man beispielsweise bei einer Angabe von "4 Megabyte" nie genau weiß, ob es jetzt 4000000 Bytes sind und der Autor sich auf die "richtigen" Präfixe berufen hat, oder ob es 4194304 Bytes sind und der Autor eigentlich 4 Mebibyte gemeint hat. Wenn von RAM-Bausteinen die Rede ist, dann sind für gewöhnlich Mebibytes gemeint, weil jede andere Realisierung technisch unsinnig wäre (eine Adressleitung mehr = doppelte Kapazität). Bei magnetischen Datenträgern mit ohnehin krummzahlig vorhandenen Elementen hingegen sind für gewöhnlich tatsächlich Megabyte gemeint (was auch größere Zahlen mit sich bringt, die in Prospekten viel toller aussehen...).
Bleiben wir einen Moment bei Festplatten und sehen uns ein paar Beispiele an:
Festplatte | Sektoren | Bytes | Herstellerangabe | Dezimalpräfix | Binärpräfix |
---|---|---|---|---|---|
Maxtor 7541A | 1060416 | 542932992 | 541 MB | 542 MB | 517 MiB |
IBM DTTA-371440 | 28229040 | 14453268480 | 14,4 GB | 14,4 GB | 13,4 GiB |
Seagate ST320410A | 39102336 | 20020396032 | 20 GB | 20,0 GB | 18,6 GiB |
Warum Maxtor hier dem Benutzer ein Megabyte schenkt ist unklar, aber die Tendenz ist klar: Festplattenhersteller geben die Kapazität unter Verwendung der Dezimalpräfixe an. Nachdem wir das nun soweit verinnerlicht haben und das Weltbild wieder geradegerückt ist, hier noch einige ähnlich geartete Fälle die jedoch aus der Reihe tanzen: Disketten.
Diskette | Sektoren | Bytes | Herstellerangabe | Dezimalpräfix | Binärpräfix | |
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5,25", Double Density | 720 | 368640 | 360 KB | 368 KB | 360 KiB | |
3,5", Double Density | 1440 | 737280 | 720 KB | 737 KB | 720 KiB | |
5,25", High Density | 2400 | 1228800 | 1,20 MB | 1,22 MB | 1,17 MiB | 1200 KiB |
3,5", High Density | 2880 | 1474560 | 1,44 MB | 1,47 MB | 1,40 MiB | 1440 KiB |
Hier sieht man, dass bei der Herstellerangabe offenbar der Binärpräfix für die Umrechnung von Byte auf Kilobyte genutzt wird, aber für die Umrechnung von Kilobyte auf Megabyte der Dezimalpräfix zum Einsatz kommt. Eine 1,44-Megabyte-Diskette ist also in Wirklichkeit eine 1,44-Kilokibibyte-Diskette. ;-)
Der Windows-Explorer zeigt Datenträgergrößen übrigens mit Binärpräfixen an, die jedoch wie Dezimalpräfixe abgekürzt werden; eine frisch formatierte Festplatte, die der Hersteller als 540 MB verkauft, bietet somit 514 MB Platz, und beides wird als "MB" bezeichnet.
Ich hatte eine ganze Reihe von Festplatten zum Durchprobieren, wobei die Liste während des Experiments durch Nachkäufe noch länger geworden ist. Den zahlenmäßig größten Anteil hat ein "Überraschungspaket" von eBay Kleinanzeigen ausgemacht: 11 Festplatten für 20 Euro. Diese waren kapazitätsmäßig im unteren Gigabyte-Bereich angesiedelt und vermutlich lange Zeit im Einsatz: die Laufgeräusche waren ziemlich laut (Spektrum reicht von Haarföhn bis Handkreissäge) und zwei Geräte wiesen zahlreiche fehlerhafte Sektoren auf. Trotzdem waren diese Platten gute Versuchsobjekte für die Frage, ob moderne Festplatten in einem 286er benutzbar sind. Eine 541-Megabyte-Festplatte von Maxtor hatte ich noch aus eigenen Altbeständen, eine nahezu baugleiche Festplatte habe ich neu erworben. Ebenfalls nach Beginn des Experiments hinzu kamen zwei identische Seagate-Festplatten mit je 106,9 Megabyte.
Um das häufige Wechseln der Festplatten bequemer zu gestalten habe ich einen IDE-Wechselrahmen mit drei Einschüben benutzt. Dieser war jedoch leider so lang, dass das ohnehin schon sehr straffe Floppy-Datenkabel nun endgültig keinen Platz mehr gefunden hat und ich daher temporär auf den Luxus eines 5,25"-Diskettenlaufwerks verzichten musste. Ich habe noch drüber nachgedacht, die Position der Laufwerke zu tauschen, weil mir der Gesamtanblick mit Einbaurahmen eigentlich ganz gut gefallen hat -- aber die Möglichkeit des bequemen Festplattentauschs erkauft man sich mit einem höheren Lärmpegel, der mich dann doch etwas genervt hat. Außerdem hatte ich jenseits des Experiments keinen guten Anwendungsfall für einen Wechselrahmen in diesem Rechner.
Die folgende Tabelle zeigt die getesteten Festplatten, aufsteigend sortiert nach Größe. Die Angaben zur Geometrie entstammen der Beschriftung und haben bei manchen Geräten komplett gefehlt.
Nr. | Hersteller | Bezeichnung | Baujahr | Größe | C/H/S | LBA | Bemerkung |
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1 | Seagate | ST3120A | 1992 | 106,9 MB | 1024/12/17 | Positionierung der Schreib-Lese-Köpfe gut hörbar | |
2 | Seagate | ST3120A | 1992 | 106,9 MB | 1024/12/17 | Positionierung der Schreib-Lese-Köpfe gut hörbar | |
3 | Maxtor | 7540AQ | 1995 | 540 MB | 1046/16/63 | Etwas lauteres Motorgeräusch als bei #4 | |
4 | Maxtor | 7541A | 1995 | 541 MB | 1052/16/63 | Positionierung der Schreib-Lese-Köpfe gut hörbar | |
5 | Quantum | Fireball EX 3.2 AT | 1999 | 3,2 GB | Motorgeräusche übertönen Kopf-Positionierung | ||
6 | Quantum | Fireball EX 3.2 AT | 1999 | 3,2 GB | Motorgeräusche übertönen Kopf-Positionierung | ||
7 | Fujitsu | MPC3032AT | 1999 | 3,24 GB | 6704/15/63 | Klingt wie eine Handkreissäge | |
8 | Fujitsu | MPC3032AT | 1999 | 3,24 GB | 6704/15/63 | Leiser als #7, aber trotzdem unangenehm | |
9 | Fujitsu | MPD3043AT | 2000 | 4,32 GB | 8940/15/63 | Etwas lauter, vergisst Partitionen, Sektor 0 kaputt? | |
10 | Fujitsu | MPD3064AT | 1999 | 6,48 GB | 13410/15/63 | Geräusche OK, aber kaputte Sektoren | |
11 | Fujitsu | MPD3064AT | 1999 | 6,48 GB | 13410/15/63 | Leicht nerviges Geräusche vom Spindelmotor | |
12 | Fujitsu | MPF3102AT | 2000 | 10,24 GB | 16383/16/63 | Spindelmotor surrt recht laut | |
13 | IBM | DTTA-371440 | 1999 | 14,4 GB | 16383/16/63 | 28229040 | Eher laut, aber tieferfrequent (vibrieren) |
14 | Seagate | ST320410A | 2002 | 20 GB | 16383/16/63 | 39102336 | Spindelmotor leise, Kopf-Positionierung nicht hörbar |
15 | Maxtor | DiamondMax Plus 8 | 2006 | 40 GB | 80293248 | Recht leise, aber viele schlechte Sektoren |
Bis auf die Festplatten mit fehlerhaften Sektoren haben alle im 286er funktioniert! Bei den Festplatten 3 bis 15 habe ich BIOS Typ 47 "user defined" benutzt, mit 1024 Zylindern, 16 Köpfen und 63 Sektoren, was eine Kapazität von 1024 * 16 * 63 * 512 = 528482304 Bytes (528 MB, 504 MiB) ergibt. Dies entspricht der maximalen Größe, welche die kombinierten Einschränkungen von BIOS und ATA-1 erlauben.
Entschieden habe ich mich schlussendlich für eine der beiden ST3120A. Mit 106,9 Megabyte fällt sie ziemlich gut in das anfangs vorgestellte Szenario und ergibt somit für diesen Rechner absolut Sinn. Eingebaut habe ich sie mit zwei messingfarbenen Einbauwinkeln im untersten 5,25"-Einschub (der hinter einer festen Blende sitzt, also keine Erweiterungsmöglichkeiten verbaut). In diesem Zustand hört man die Positionierung der Schreib-Lese-Köpfe in einer angenehmen Lautstärke, was mir für diesen Rechner besonders am Herzen gelegen hat. So eine mechanische Festplatte, die man arbeiten hört, ist halt doch was anderes als eine Compact-Flash-Lösung wie ich sie z.B. in meinem XT-Klon benutzt habe.
Als Betriebssystem verwende ich für diesen Rechner MS-DOS 5.0, was dank FAT16B Partitionen bis zu 2 Gigabyte erlaubt, d.h. die gesamte Festplatte kann als ein einzelnes Laufwerk angesprochen werden; bei dem zeitlich betrachtet ebenfalls sinnvollen MS-DOS 3.3 wäre die maximale Partitionsgröße 32 Megabyte, was in diesem Fall das Aufteilen auf 4 logische Laufwerke erforderlich machen würde. Tatsächlich ist das sogar der Hauptgrund, warum ich hier zu MS-DOS 5.0 gegriffen habe.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis ist natürlich auch die Erkenntnis, dass moderne IDE-Festplatten durchaus in einem 286er mit AMI-BIOS genutzt werden können. Die überaus erfolgreiche Quote von 100% macht Mut was die künftige Restauration ähnlicher Rechner angeht, auch wenn man bei modernen Festplatten auf die nostalgiefördernden Zugriffsgeräusche verzichten muss.