Grundlegende Wiederherstellung und erster Start

Die Vorgeschichte

Ich habe diesen PC im Oktober 2020 bei eBay Kleinanzeigen von Max für 50 Euro gekauft. Es war ein typischer Kellerfund: er stand dort herum, ewig ungenutzt, keiner wusste mehr so genau wann er das letzte mal lief, geschweige denn in welchem Zustand er sich befand. Max war sehr hilfsbereit beim Versuch herauszufinden, um was es sich genau handelt. Ich dachte zunächst an einen AT-Klon, aber durch Fotos vom Mainboard war erkennbar, dass es sich um einen XT-Klon handelte. Das fand ich sehr spannend, weil ich bis dahin nur einen "echten" IBM PC-XT hatte, bei dem ich natürlich gewisse Hemmungen verspüre wenn es darum geht, mal irgendwas dran herumzubasteln.

Als ich den Rechner dann auf dem Basteltisch stehen hatte und ihm genauer "hinter die Kiemen" schauen konnte, musste ich leider ein paar unerfreuliche Entdeckungen machen:

Immerhin: mit dem Floppy-Controller aus dem IBM PC-XT bootete der Rechner sauber und schien soweit in Ordnung zu sein.

Batterieschäden beheben

Als erstes habe ich mich der ausgelaufenen Batterie auf dem Floppy-Controller gewidmet. Inzwischen habe ich da schon etwas Übung und folgende Standardprozedur entwickelt:

  1. Defekte Batterie entfernen
  2. Elektrolyt-Reste neutralisieren
  3. Verschmutzungen entfernen
  4. Leiterbahnen prüfen und reparieren

Ein paar allgemeine Anmerkungen:

Wenn die Batterie noch nicht zu gammelig ist und man gut dran kommt, dann kann man sie mit einem Seitenschneider abknipsen. Bei flachen Elektroden (Bleche statt Drähte) hingegen klappt das meistens nicht so gut. Außerdem trifft man häufig Batterien an, die zusätzlich von einem Klecks Heißkleber gestützt werden. Ich bin dazu übergegangen, die Batterien einfach solange hin- und herzubiegen, bis die Drähte abbrechen. Das funktioniert immer, hebt meistens den bereits spröde gewordenen Heißkleberklecks mit ab und versaut das Werkzeug nicht, wenn die Batterie komplett ausgelaufen ist und alles rundherum mit Kristallen übersät ist. Einfach mit einer leichten Ruckelbewegung beginnen und nach dem Motto "steter Tropfen höhlt den Stein" weiter machen, bis man die Batterie in den Fingern hält. Dann ab in einen Frischhaltebeutel und der Entsorgung zuführen.

Was ich hier als Batterie bezeichne sind eigentlich fast immer NiCd-Akkus. Bei diesen kommt Natriumhydroxid (NaOH) als Elektrolyt zum Einsatz. Natriumhydroxid ist ein weißer, kristalliner Feststoff der stark ätzend wirkt und sich unter starker Wärmeentwicklung in Wasser auflöst. Allerdings nimmt Natriumhydroxid auch wie verrückt Kohlenstoffdioxid aus der Luft auf und wird dabei zu Natriumhydrogencarbonat (NaHCO3), das wiederum relativ harmlos ist.
Das Praktische ist, dass man beide Substanzen gleich behandeln kann: mit einer schwachen Säure neutralisieren. Dazu eignet sich verdünnte, weiße Essigessenz aus dem Supermarkt hervorragend; die im Handel erhältliche 25%ige Essigsäure ruhig 1:5 mit Wasser verdünnen. Davon großzügig auftragen und die Kristalle verschwinden unter starkem Aufschäumen: das Natriumhydrogencarbonat gibt das gebundene Kohlenstoffdioxid wieder ab und wird zu Natriumacetat, das relativ gut wasserlöslich ist.
Übrigens: die grünen Kristalle sind meiner Ansicht nach höchstwahrscheinlich basisches Kupfercarbonat, das durch die Eintwirkung von Natriumhydroxid und Kohlenstoffdioxid auf das Kupfer der Leiterbahnen entstanden ist. Dieses löst sich auch in verdünnter Essigsäure (als Kupferacetat). Aber: das Kupfer fehlt natürlich irgendwo... meine Erfahrung: je grüner der Gesamteindruck, desto mehr Leiterbahnen sind betroffen und müssen ggf. geflickt werden.

Nach dieser Behandlung ist die Leiterplatte mit einer Pampe bedeckt, die überwiegend aus stark verdünter Essigsäure, Natriumacetat und jeder Menge Staub bestehen dürfte. Die beste Behandlung wäre diese gründlich mit Isopropanol abzuspülen. Ich bin da aber ehrlich gesagt zu geizig und gehe einen anderen Weg: ich lege die Leiterplatte in die Badewanne und halte mit der Brause drauf. Danach schüttel ich alles an Wasser ab das geht, lege die Leiterplatte auf Küchenpapier und blase das restliche Wasser so gut es geht mit einem Fön weg. Danach bette ich auf frisches Küchenpapier um und lasse das ganze für ein paar Tage sehr gut durch trocknen. Ich sage nicht, dass das ein guter Weg ist, aber bei mir hat es bisher zu guten Ergebnissen geführt, kostet quasi nix und geht schnell. Allerdings haben wir hier auch eine sehr geringe Wasserhärte und damit so gut wie keinen Ärger mit Kalkflecken.

Der vielleicht aufwendigste Teil ist das Auffinden von defekten Leiterbahnen. Dazu schaue ich mir die betroffenen Stellen erstmal sehr genau an; oft sieht man bereits, wo man genauer prüfen muss. Dies geschieht dann mit einem Durchgangsprüfer ("Piepser"). Das kann sehr unterschiedlich aufwendig werden und ist meistens mit der Verfolgung der Leiterbahnen über Ober- und Unterseite verbunden. Tipp: die Vias (die Löcher mit denen die Leiterbahnen die Seiten wechseln) werden oft leitfähig, wenn man mit der Spitze des Durchgangsprüfers etwas nachstochert.
Im Idealfall kann man für jede betroffene Leiterbahn die Quelle und das Ziel identifizieren und erkennen, ob der Kontakt noch vorhanden ist oder nicht. Wenn der Kontakt nicht mehr gegeben ist, dann kann man diesen über das Einlöten eines Stück Drahts wiederherstellen. Entweder nur die kaputte Stelle flicken (Lötstopplack abkratzen, Lücke mit Draht überbrücken), oder eine komplett neue Leitung von Quelle zu Ziel legen. Letzteres birgt immer die Gefahr, dass diese "Drahtantenne" Störungen einfängt und je nach geflicktem Signal zu schwer nachvollziehbaren Fehlern führt. Besonders bei Busleitungen (viele parallel geführte Leiterbahnen) legen die Leiterplattendesigner viel Wert darauf, dass die Leitungen alle gleich lang sind, damit die Laufzeiten der einzelnen Signale gleich sind. Wenn man dann eine Leitung flickt und damit länger macht, können sehr komische Dinge passieren.

Keine Panik, das klingt viel schlimmer als es ist. Viele Batterieschäden sehen zwar übel aus, hinterlassen aber keine fatalen Defekte. Beim Floppy-Controller etwa waren große Teile der Kupferflächen für VCC und GND angegriffen und porös, trotzdem musste ich keine einzige Leiterbahn flicken.

Steckkontakte reinigen

Wie gesagt: die Leiterbahnen des Floppy-Controllers waren trotz des heftigen Batterieschadens in Ordnung. Trotzdem hatte er nicht funktioniert, es gab nur Fehlermeldungen wie "Parity Error" oder den Hinweis, dass keine Bootdiskette gefunden wurde. Tatsächlich hat das Laufwerk sogar nicht einmal gezuckt, weder Licht noch Motor. Des Rätsels Lösung waren korrodierte Steckkontakte. Das hatte ich herausgefunden, indem ich die Karte eingesteckt und dann die Kontakte zum benachbarten ISA-Slot hin durchgepiepst habe (diese sind alle parallel geschaltet).

Die Steckkontakte sind mit einer hauchdünnen Goldschicht überzogen, die sie gegen Korrosion schützen soll. Manchmal sind sie dennoch an der Oberfläche rau und uneben, sodass keine sichere Verbindung mit den jeweiligen Kontaktfedern im Slot zustande kommt. Ein bewährtes Mittel ist die Kontakte mit einem Radiergummi zu behandeln, was in meinem Fall allerdings nicht geholfen hat.
Die nächste Eskalationsstufe ist die Behandlung mit einem sanften Scheuermittel. Dazu habe ich aus Backpulver und Wasser einen Brei angerührt, diesen mit Wattestäbchen aufgebracht und sanft geschrubbt. Danach abspülen (wieder in der Luxusvariante mit Isopropanol, oder wie bei mir mit Wasser), trocknen lassen und wieder versuchen.

Bei mir hat das super funktioniert, danach hat der Floppy-Controller wieder gearbeitet und das Booten von Diskette hat einwandfrei geklappt.

Ersatz für die Festplatte

Der Festplatte habe ich deutlich weniger Aufmerksamkeit gewidmet. Sie hat so fiese Geräusche gemacht, dass ich mir ehrlich gesagte keine große Hoffnung gemacht habe. Stattdessen habe ich mich mit dem Thema CF-Karten beschäftigt und mit dem XT-CF-Lite ein sehr vielversprechendes Projekt gefunden. Diese 8-Bit-ISA-Steckkarte ist ein IDE-Host-Adapter mit integriertem Adapter für Compact-Flash-Karten, die von der Rückseite her eingeführt werden können. Als Ganzes ersetzt es ein Festplattenlaufwerk und ermöglicht das Befüllen der "Festplatte" an einem anderen PC mit einem ganz normalen USB-Kartenleser.

Vorher: fette MFM-Festplatte Nachher: XT-CF-Lite

Ja, lacht mich aus, ich kannte das vorher wirklich nicht. ;-)

Ich habe meinen XT-CF-Lite auf eBay von einem Verkäufer aus Tschechien namens bytegardeneu für umgerechnet 45 EUR plus 8,90 EUR Versand erstanden. Er baut ab und an solche Karten und verkauft sie auf eBay. Wenn gerade keine entsprechenden Anzeigen online sind könnt ihr ihn auch direkt anschreiben, ist ein sehr netter Kerl. Ansonsten einfach nach "xt-cf-lite" suchen, meistens findet man noch 2-3 weitere Quellen.

Die Sache mit dem Netzteil

Das Netzteil hatte ich geöffnet um das Ausmaß des Schadens abschätzen zu können. Selbst reparieren hatte ich sowieso schon verworfen, weil ich nichts mit Netzspannung mache. Ich habe ein paar Elkos gesehen, die entweder bereits "dicke Backen" hatten, oder sogar schon eine Kruste aus kristallisiertem Elektrolyt gebildet haben. Auf dem Foto sieht man das recht schön; die Elkos auf der Primärseite scheinen noch okay zu sein, die auf der Sekundärseite sind hin.

Ich habe das Netzteil einem Arbeitskollegen überlassen, der mal einen Blick drauf werfen wollte. Für die Zwischenzeit habe ich ein ATX-Netzteil mit einem ATX-zu-AT-Adapterkabel (z.B. von InLine, findet man auch überall auf eBay und bei Amazon) verwendet. Das funktioniert wunderbar, ist aber kein echter Ersatz, weil es vom Formfaktor her überhaupt nicht passt. Zum einen fehlt der Ein-/Ausschalter (der ist beim XT Teil des Netzteils), zum anderen sind Netzanschluss und Lüfter komplett anders platziert.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das Gehäuse und den Schalter des XT-Netzteils wiederzuverwenden, aber die Innereien komplett durch das Innenleben eines ATX-Netzteils bzw. eines vergleichbaren Netzteils zu ersetzen. Das würde ich vielleicht als letzte Option in Erwägung ziehen, aber ich denke (hoffe!), dass es mit dem Austausch der Kondensatoren getan ist, da es ja trotz der schmurgelnden Geräusche soweit funktioniert hatte.


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