Grundreinigung und Inbetriebnahme

Die Vorgeschichte

Ich hatte diesen Rechner schon Anfang 2021 bei eBay Kleinanzeigen für 120 Euro von René gekauft. Er hatte ihn zunächst als "möglicherweise defekt" inseriert, weil er ihn nicht zum Booten überreden konnte. Wir hatten dann nett telefoniert, ein paar Dinge ausprobiert, und siehe da: er hat doch gebootet. Tatsächlich war alles in Ordnung, es lag nur an der Art und Weise wie die Bootdiskette erstellt wurde. Daraus entstand übrigens dieser Artikel.

Danach stand der Rechner mehr als ein Jahr im Regal, weil das vorherige Bastelprojekt (der XT-Klon von Max) kein Ende finden wollte. Ich hatte die ganze Zeit schon ein schlechtes Gewissen, weil auf dem Mainboard immer noch ein NiCd-Akku saß und diese ja bekanntlich mit der Zeit nicht gerade besser werden. Dann, gegen Ende März 2022, kam ich endlich dazu mich dieser Baustelle zu widmen.

Bestandsaufnahme

Bei dem Mainboard handelt es sich um ein KP 286 12MHz von Morse. Das hatte mir bis dahin nichts gesagt, aber Google hat mir verraten, dass es sich um ein vergleichsweise spätes und weit entwickeltes Board handelt. Es verfügt sogar über integrierte Controller für Diskettenlaufwerke und Festplatten, was keinweswegs selbstverständlich ist. Auf dem Mainboard prangt ein "MORSE 286 BIOS PLUS" mit einem Copyright-Vermerk von AMI. Bei der CPU handelt es sich um einen 286er von Advanced Micro Devices, genauer gesagt dem AMD N80L286-12/S. Dieser ist, wie der Name des Boards bereits vermuten lässt, mit 12 MHz getaktet.

Ebenfalls mit dabei war eine Grafikkarte von Oak Technology mit dem OTI 037C-Chipsatz. Eine Google-Recherche hat mich zum VGA-Museum geführt, wo eine verblüffend ähnliche Karte als "Basic VGA controller" abgebildet ist (bei mir ist ein Quarz + Zubehör nicht bestückt, ansonsten sieht sie zum verwechseln ähnlich). Was mir an dieser Karte besonders aufgefallen ist: sie verfügt sowohl über einen 9-poligen Anschluss für EGA als auch über einen 15-poligen Anschluss für VGA. Das ist für jemanden, der bis vor wenigen Monaten noch gar keine Möglichkeiten zur EGA-Wiedergabe hatte, natürlich eine tolle Sache. Ich bin schon gespannt welche verschiedenen Betriebsmodi der (von Außen zugängige) 4-Bit-DIP-Switch ermöglicht. Einer ersten Recherche zufolge ist wohl neben EGA auch MDA/monochrom möglich.

Für die Konnektivität sorgt eine I/O-Karte mit der Bezeichnung MT-201B (8-Bit ISA). Darauf befinden sich ein Goldstar GMI6C450 und ein Winbond W86C451. Über die Slotblende werden hierdurch ein Parallelport sowie ein Gameport bereitgestellt. Über zwei Pin-Header sind zwei 25-polige D-Sub-Stecker für RS232 angeschlossen.

Mainboard
KP 286 12MHz von Morse
EGA/VGA-Grafikkarte
mit OTI 037C-Chipsatz
I/O-Karte MT-201B
mit GMI6C450/W86C451

Laufwerke waren keine vorhanden, dafür zwei offene Positionen in der Gehäusefront für ein 3,5"-Laufwerk und ein 5,25"-Laufwerk. Ansonsten war das Gehäuse relativ gut erhalten -- an den Metallteilen etwas verkratzt, mit Resten eines Aufklebers einer (nicht mehr existenten) Mitfahrerzentrale aus Bremen an der Seite sowie dem typischen "Finger-Schmodder" an den Bedienelementen der Frontseite. Also alles mehr oder weniger normale Gebrauchsspuren eines Büro- oder Studentenrechners. Interessant war noch die Tatsache, dass die Metallteile der Rückseite fast vollständig in Ordnung waren, außer erheblichen Spuren von Flugrost an den RS232-Steckern sowie ein paar Schrauben im Umfeld.

Die Grundreinigung

Insgesamt war der Rechner innendrin ziemlich sauber. Aber da ich auf Grund der Mainboard-Batterie sowieso in die hinterste Ecke musste, war eine komplette Zerlegung angesagt. Dabei habe ich diesmal eine Sortimentsbox zur Verwahrung der diversen Schräubchen genutzt, mit kleinen Zettelchen die den jeweiligen Zweck des Kleinteils beschrieben haben (z.B. "Frontblende an Deckel"). Absolut empfehlenswert, entspannteste Bastel-Session aller Zeiten; nie wieder Angst das Dingen zwei Wochen später nicht mehr richtig zusammen zu bekommen.

An der Mainboard-Batterie angelangt habe ich kurz überlegt, ob ich den "richtigen" Weg gehen will und sie auslöte, oder ob ich sie doch wie die vielen Tonnen-Akkus zuvor einfach abbreche. Ich habe mich für das Abbrechen entschieden, sie also solange leicht hin- und hergebogen, bis die Drahtbeinchen sauber auf Höhe der Leiterplatte abgebrochen sind. Ich weiß, dass das manchen Bastlern die Nackenhaare aufstellt, weil es dabei vorkommen kann, dass die Leiterbahnen abgehoben werden, aber bei mir ist das noch nie vorgekommen und dieses Vorgehen ist so viel bequemer -- und vor allem auch für bereits ausgelaufene Batterien geeignet (dann mit Einmalhandschuhen). Selbst nach dem Abheben und Eintüten der Batterie war ich der Meinung, dass sie nicht ausgelaufen war, doch später beim Durchsehen der Fotos ist mir aufgefallen, dass sie doch "gespuckt" hatte. Die Leiterbahn direkt neben dem Minuspol (die jedoch mit dem Pluspol verbunden war) hatte einen kleinen Sprenkler, sowie ein Kontakt des Pin-Headers für den Anschluss einer externen Batterie. Insgesamt nichts Wildes, dennoch habe ich es zuerst mit Wasser, dann mit verdünnter Essigsäure, dann erneut Wasser und zum Schluss mit Isopropanol versorgt.

Von der Seite fast nichts zu ahnen ... ... aber am Minuspol droht Gefahr! Nach der Reinigung: fast alles OK

Das Gehäuse und die Leiterplatten habe ich wieder mit meinem CompuCleaner sauber geblasen. Tolles Gerät, bin immer noch begeistert. Die Frontblende habe ich einer gründlichen Reinigung mit Handseife und Zahnbürste unterzogen, was hervorragend gegen Finger-Schmodder und sonstige wasserlösliche Verunreinigungen geholfen hat. Den Metalldeckel mit dem Aufkleber habe ich zunächst vorbehandelt: den Aufkleber (bzw. dessen Reste) mit einer Kunststoffpinzette und Fingernägeln abgepiedelt, dann die Reste des Klebers mit Spiritus abgewischt (bzw. verrieben...) und am Ende ab in die Badewanne und mit viel Wasser, Seife und Nagelbürste abgeschrubbt. Das Ergebnis ist klasse, aber ich war für einen Moment unsicher, ob die Behandlung mit der Nagelbürste nicht doch die Kratzer im Lack verstärkt hat. Der Vergleich mit den Vorher-Fotos (die allerdings nicht alle Stellen erfasst hatten) scheint die Befürchtung jedoch zu widerlegen.

Der Wiederzusammenbau

Vor und während des Zusammenbaus habe ich mehrmals die Fotos betrachtet, die ich beim Zerlegen immer dann gemacht habe, wenn irgendetwas unintuitiv oder fehleranfällig war. Wie schon auf anderen Seiten erwähnt: man kann nie zu viele Fotos machen. Und wenn es nur zur Beruhigung des Gewissens dient, dass man etwas nicht falsch gemacht hat oder um zu vergleichen, ob irgendetwas schon vorher komisch/krumm/verkratzt/etc. war. Wie zum Beispiel die Pin-Header auf der I/O-Karte; diese sahen aus, als hätte jemand echt miese Laune gehabt als die Pfostenbuchsen aufgesteckt wurden. Außerdem hat sich die bereits erwähnte Sortimentsbox als sehr hilfreich erwiesen, auch um im Zweifelsfall dem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen, in welcher Reihenfolge man etwas zerlegt hatte (vorausgesetzt natürlich, dass man die einzelnen Fächer systematisch befüllt hat). Wenn dann am Ende alle Fächer leer sind, dann hat man höchstwahrscheinlich alles richig gemacht.

Der heikelste Moment war das Einpassen des Mainboards. Ein paar der Kunststoffhalter hatten Nasen, die in den doppelten Boden eingeführt werden mussten. Dann waren noch zwei Abstandhalter aus Metall vorhanden, an denen das Board am Ende festgeschraubt wird. Daraus ergab sich eine sehr unschöne Kombination aus Ruckeln und Schieben, immer in dem Wissen, dass die Metall-Abstandhalter Kontakt mit der Unterseite des Mainboards haben. Dann hat es natürlich nicht auf Anhieb gepasst und es war auch nie so ganz sicher, ob alle Plastiknasen unter den doppelten Boden gefunden haben, oder als "Geisterfahrer" unterwegs sind. Ich hasse diese Art der Mainboard-Befestigung abgrundtief. Am Ende habe ich das Gehäuse auf die Seite gestellt, sodass einerseits das Mainboard durch die Schwerkraft langsam an die Endposition befördet wurde, und ich andererseits unter den doppelten Boden schielen konnte, ob die Plastiknasen alle richtig sitzen. Hat dann irgendwie geklappt und der anschließende Funktionstest ließ vermuten, dass nichts essenziell wichtiges kaputt gegangen ist. Trotz alledem: ich hasse es!

Die Steckkarten habe ich zunächst an die gleichen Positionen gesetzt, an denen sie zuvor waren. Da diese Konfiguration schon mal funktioniert hatte, konnte ich damit ausschließen, dass ich einen schlechte Steckplatz erwische oder eine Karte in einem bestimmten Slot nicht funktioniert (solche Tücken gibt es z.B. beim Ur-PC und dem XT). Auch die etwas rostigen D-Sub-Stecker habe ich zunächst wieder verbaut, genauso wie die trotz Reinigung etwas gammeligen Slotblenden der ungenutzten Steckplätze. Im Zweifelsfall erst mal wieder in den Originalzustand versetzen, optimieren und verschönern kann man später immer noch.

Noch etwas Verzierung

Zum Abschluss habe ich die 1x1 Zoll große Vertiefung auf dem Gehäuse mit einem Aufkleber verziert. Ich wollte einerseits zum Ausdruck bringen, dass es sich um ein AMD-System handelt, zum anderen sollte aus dem Logo hervorgehen, dass ein 286er im Gehäuse steckt. Nachdem eine Google-Bildersuche wie erwartet keine passenden Case Badges zu Tage förderte, habe ich wieder selbst zum digitalen Pinsel gegriffen und eines erstellt. Als Vorlage habe ich mich an dem Logo des AMD K6 orientiert, der rund 10 Jahre später das Licht der Welt erblickte.

AMD K6 Logo amd-badge.xcf
Größe: 610 x 610 Pixel
Maße: 25 mm x 25 mm

Hardcore-Nerds mag es etwas stören, dass hier das "neue" AMD-Logo (seit 1990) verwendet wurde, während auf der Am286-CPU eigentlich noch das alte Logo prangt. Dieses kam jedoch nur monochrom zum Einsatz, wohingegen ich dem Gehäuse gerne einen Farbakzent verpassen wollte und für mich das Türkis einfach der Inbegriff von AMD ist. Jetzt sehe ich, dass der 286-Schriftzug vielleicht noch ein paar Millimeter weiter nach links gerückt hätte werden könnte... aber egal, jetzt klebt das Ding. :-)

Der erste Testlauf

Für den ersten Testlauf habe ich ein 3,5"/HD-Laufwerk eingebaut und meine Disketten mit MS-DOS 6.22 gezückt, weil diese gerade zur Hand waren. Nachdem ich die BIOS-Einstellungen aktualisiert hatte, hat das System brav gebootet und das MS-DOS-Setup gestartet. Dieses war allerdings sehr schnell beleidigt, weil keine Festplatte vorhanden war. Ich dachte immer, man könne alle Versionen von MS-DOS auch auf Disketten installieren, aber zumindest mit Version 6.22 geht das offenbar nicht mehr.

Stattdessen habe ich also mit FORMAT /U /S eine bootfähige Diskette erzeugt und per USB-Laufwerk von Windows aus mit CHECKIT versorgt. Dieses bestätigte mir zum einen, dass die 5 MB RAM fehlerfrei funktionieren. Zum anderen gab der CPU-Benchmark ein paar Infos zur Leistungs des Prozessors an:

Beides entspricht der 8,68-fachen Leistung des IBM PC-XT. Eigentlich hätte mich bei diesem System eher ein Vergleich mit einem IBM PC-AT interessiert, aber gut. Auf jeden Fall passen die vermuteten 12,01 MHz auffallend gut zu den erwarteten 12 MHz. ;-)

Als nächstes habe ich mir meine Installationsmedien für MS-DOS 5.0 gegriffen, um zu sehen ob hier eine Installation auf Disketten möglich ist. Die HD-Medien waren leider nicht mehr lesbar (es waren mit DISKCOPY erzeugte Kopien von 720K-Disketten, ich weiß aber nicht mehr in welchem Laufwerk), aber ich konnte mittels pc-serial-loader neue erzeugen. Ich hatte dazu die Disketten zuerst als 1,44M formatiert, dann per Drive Editor das Laufwerk im Client-Programm des Serial Loaders auf 80/9/2 konfiguriert und mit den 720K-Images beschrieben. Somit sollten die Disketten jetzt "artgerecht" für HD-Medien beschrieben worden sein und hoffentlich länger halten.

Die Installation auf Disketten war möglich und auch irgendwie aufregend. Aus den 3 Installationsdisketten entstehen 4 Arbeitsdisketten, deren Beschriftung das Setup-Programm wie folgt diktiert:

Auch hierzu habe ich HD-Disketten verwendet, die ich zuvor mit 1,44M formatiert hatte. Diese sind nun nur knapp zur Hälfte belegt, weil das Setup offenbar auf 720K-Disketten ausgelegt ist. Wirklich viel habe ich mit dieser DOS-Installation noch nicht angestellt, aber vielleicht werde ich noch etwas damit herumspielen, bevor ich eine Festplatte einbaue.


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